31. März 1913

Arnold Schoenberg

31. März 1913: Das Konzert der Watschen - Im Wiener Musikvereinssaal gerieten sich am 31. März 1913 die Konzertbesucher in die Haare und es setzte Watschen. Das als "Watschenkonzert" in die Geschichte eingegangene Kunstereignis endete in einer regelrechten Schlägerei, als die Anhänger Schoenbergs ihn gegen die Oscar-Straus - Fans verteidigten.

Watschenkonzert. Schon bei der Uraufführung von Schoenbergs "Dreimal sieben Gedichte aus Albert Girauds Pierrot lunaire" (op.21) im Jahre 1912 war es zu Störungen durch jaulende und beleidigende Zwischenrufe gekommen. Am 31. März 1913 findet dann im Wiener Musikvereinssaal ein Konzert - von Schoenberg dirigiert - statt. Als die Anhänger der Oscar Straus-Richtung die Vorführung stören, setzt es die "Watschen". Schoenberg übersiedelt noch im selben Jahr nach Berlin.

Aufgeführt werden unter anderem Musikstücke von Werken von Schoenberg, Berg, Webern, Mahler und Zemlinsky, darunter Schoenbergs 1. Kammersymphonie und zwei von Alban Bergs Altenberg-Liedern, die Berg nach fünf Altenbergischen "Ansichtskartentexten" verfasst hat. Diese waren dann auch der Stein des Anstoßes. Als es zu Störungen kommt, klopft Schoenberg inmitten des Liedes ab und schreit ins Publikum, dass er jeden Ruhestörer mit Anwendung öffentlicher Gewalt abführen lassen werde. Nun kam es zu wüsten Schimpfereien, Abohrfeigungen und Forderungen. Anton von Webern mischte sich von seiner Loge aus ein und empfahl, dass man die ganze Bagage hinausschmeißen sollte. Und aus dem Publikum kam die Antwort, dass man die Anhänger dieser Musik in die Wiener Irrenanstalt abschaffen müsste. Das Toben und Johlen im Saale hörte nun nicht mehr auf. Ein beobachtender Redakteur vermerkte dazu, dass es gar kein seltener Anblick war, dass irgendein Herr aus dem Publikum in atemloser Hast und mit affenartiger Behändigkeit über etliche Parkettreihen kletterte, um das Objekt seines Zornes zu ohrfeigen. Es wird vermutet, dass das Konzert vom Wiener Architekten Adolf Loos subventioniert war. Die Forderung Schoenbergs "Musik soll nicht schmücken, sie soll wahr sein" kann in direkten Bezug zur Loos'schen Ästhetik gesetzt werden, insbesondere seinem Kampf gegen jede Form von angewandter Kunst und für die Dignität der reinen und Bildenden Kunst, die sich durch keinerlei Zugeständnisse an einen Publikumsgeschmack 'prostituieren' dürfe.
Schoenberg und Straus im Überbrettl. Sie waren eine Zeit lang gemeinsam am ersten deutschsprachigen Kabarett, dem von Ernst von Wolzogen nach dem Vorbild des Pariser "Chat noir" gegründeten "Überbrettl" tätig. Oscar Straus war der musikalische Leiter, Arnold Schoenberg kurzfristig sein Assistent. Es wird schon dort von "Reibereien" berichtet, jedenfalls war Schoenberg mit der musikalischen Qualität nicht sehr zufrieden. Oscar Straus, dessen Komposition "Der lustige Ehemann" die effektvolle Schlussnummer schon bei der Eröffnung des "Überbrettl"-Gastspiels bildete, arbeitete dort nicht nur mit Schoenberg zusammen sondern traf dort auf seinen Librettisten Rideamus. Aus dieser Zusammenarbeit entstanden Operetten wie "Hugdietrichs Brautfahrt" oder "Die lustigen Nibelungen", dessen Inszenierung in Graz schon 1906 zu so heftigen Protesten von rechtsgesinnten Gruppen führte, die dem Stück eine Verunglimpfung des traditionsreichen Nibelungen-Stoffes vorwarfen, dass es abgesetzt wurde.

Bild: Alban Berg

Bei einem Gastspiel des "Überbrettls" am Wiener Carl-Theater im Sommer des Jahres 1901 lernte Wolzogen Arnold Schoenberg kennen. Dieser Kontakt kam auf Empfehlung von Oscar Straus zustande. Schoenberg zeigte Wolzogen einige zwischen April und September 1901 komponierte Lieder, deren Texte er einer Anthologie "Deutscher Chansons" entnommen hatte, welche auch den Textfundus des "Überbrettls" darstellte. Wolzogen erwarb für die Saison 1901/02 sowohl den "Nachtwandler" nach einem Text von Gustav Falke, welchen er "höchst originell und musikalisch reizvoll" fand, sowie "Jedem das Seine". In seinen "Brettl-Liedern" zeichnete Schoenberg die in den Gedichten dargestellten Charaktere satirisch nach, steigerte sie mitunter sogar ins Groteske. Um die musikalischen Qualitäten des "Überbrettl"-Orchesters war es vermutlich nicht besonders gut bestellt: Schoenbergs "Nachtwandler" scheiterte bei der Uraufführung, da der Trompeter den Schwierigkeiten der Partitur nicht gewachsen war. Trotz der anfänglicher Popularität des Theaters geriet das Unternehmen "Überbrettl" bald in eine finanzielle Krise: Denen, die wegen der Kunst kamen, war es zu sehr Tingeltangel, den Unterhaltungslustigen hingegen zu literarisch. Wolzogen stieg im Juni 1902 schwer verschuldet aus dem Geschäft aus; Schoenbergs Vertrag, der bis zum 31. Juli 1902 ausgestellt worden war, wurde nicht verlängert.

Verein für musikalische Privataufführungen. Das Problem der Neuerer in der Musik, das Unverständnis und die Intoleranz der Konservativen riefen den Wunsch nach Kunstgenuss im eigenen engeren und verständigeren Kreis, ohne Wettbewerb und Beifall, hervor. Viele Aufführungen zeitgenössischer Kompositionen wurden von heftigen Tumulten begleitet. Es kam zu einer Aufspaltung des bürgerlichen Musiklebens. Im Jahre 1918 wurde in Mödling die Idee zum "Verein für musikalische Privataufführungen" entwickelt. Schoenberg und sein Schwager Alexander von Zemlinsky hatten schon im März 1904 den Verein schaffender Tonkünstler gegründet.


Vorsitzender der neuen Vereinigung war Schoenberg selbst. Zur Seite stand ihm ein Vorstand, gebildet aus Personen seines Freundes- und Schülerkreises. Der Verein gab sich unter anderem folgende Spielregeln: Es gibt kein genaues Programm, um einen gleichmäßigen Besuch der Konzerte zu erreichen. Presse ist nicht zugelassen. Die gespielten Werke werden wiederholt. Es besteht das Verbot von Beifalls- oder Missfallenskundgebungen, um dem Zuhörer eine genaue Kenntnis des Werkes zu verschaffen. Die Konzerte sind nicht öffentlich. Max Reger war der am meisten aufgeführte Komponist. Mangels eines Orchesters arrangierten die Protagonisten zeitgenössische Orchestermusik für Kammerensemble und sie gewannen mit Orchesterwerken von Reger, Debussy, Schoenberg oder Mahler noch eine Dimension hinzu: kammermusikalische Subtilität.

Neue Musik. Seit dem Beginn des 20. Jahrhundert formiert sich die "Neue Musik". Gemeint war damit eine zeitgenössische Musik, die sich gegen die Romantik wandte. Spätestens seit Richard Wagner vollzog sich eine Auflösung der lange Zeit die westeuropäische Musik beherrschenden kompositorischen Ordnungsprinzipien und Tonalitätsvorstellungen. Nach einem Zwischenstadium der Atonalität entwickelte Arnold Schoenberg die Dodekaphonie. Die Zwölftonmusik schien allerdings in der Luft zu liegen. Sie war nicht allein Schoenbergs "Erfindung".


In den Jahren um 1920 wurden in russischen und österreichischen Komponisten­Kreisen ohne wechselseitigen Kontakt Überlegungen angestellt, wie sich die von der Tonalität befreite Musik in eine neue Ordnung bringen lasse. Arnold Schoenberg und Josef Matthias Hauer gelangten zu Kompositionsverfahren mit zwölf Tönen, Hauer zeitlich zuerst, doch Schoenbergs weltweiter Ruf verdrängte in der Folgezeit Hauers Namen mehr und mehr aus dem Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit. Es gibt drei Wiener Zwölftonschulen (repräsentiert durch die Namen Schoenberg, Hauer und Steinbauer), die sich in Klangbild und Melodik für jedermann hörbar unterscheiden. Arnold Schoenberg schrieb in seinem Brief vom 1. Dezember 1923 an Josef Matthias Hauer: "Zeigen wir der Welt, dass die Musik wenigstens ohne die Österreicher zunächst nicht weiter gefunden hätte, während wir die Fortsetzung wissen."

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