Der Naziterror in Österreich: Prominententransport

Der Prominententransport ins Konzentrationslager: Am 1. April 1938 ging der erste sogenannte "Prominententransport" mit 151 Personen von Wien nach Dachau. Darunter Fritz Beda Löhner, der Librettist Lehars Operetten und Schöpfer vieler Gassenhauer der 20er Jahre ("Was machst Du mit dem Knie lieber Hans", "Ausgerechnet Bananen", ...) - und des Buchenwald-Liedes.

Prominententransport. Noch bevor der deutsche Einmarsch in den Morgenstunden des 12. März 1938 begann, landeten auf dem Asperner Flughafen in Wien SS-Chef Heinrich Himmler und seine Truppe, die sofort mit der Verhaftung der politischen Gegner begann. Richard Schmitz, Leopold Figl, Friedrich Hillegeist und Franz Olah zählten zu den ersten, die den SS-lern in die Hände fielen. Die SA durchsuchte die nach Osten abgehenden Züge auf freier Strecke nach Flüchtlingen. Und auch schon bevor am 10. April 1938 die hitlerische Volksabstimmung über den Anschluss Österreichs an das Großdeutsche Reich begann, fuhren die ersten Züge in die Konzentrationslager.

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Am 1. April 1938 ging der erste so genannte "Prominententransport" mit 151 Personen nach Dachau: Christlichsoziale, Sozialdemokraten, Monarchisten (Legitimisten), Kommunisten: Friedrich Bock, der spätere ÖVP-Vizekanzler, der SPÖ-Stadtrat Robert Danneberg, Wiens Bürgermeister Richard Schmitz, Niederösterreichs Landeshauptmann Josef Reither, die späteren Bundeskanzler Leopold Figl und Alfons Gorbach, der spätere ÖGB-Präsident und Innenminister Franz Olah, Viktor Matejka, Ludwig Soswinski, der Richter Alois Osio, die Künstler Fritz Beda Löhner und Heinrich Sussmann standen neben zahlreichen anderen auf der Transportliste. Eigentlich fühlte sich Fritz Beda Löhner sicher: "der Hitler mag meine Musik", soll er gesagt haben. Hitler war ja Fan von Franz Lehars Operetten.

Etwa 50-60 Menschen des ersten "Prominententransportes" waren bereits jüdischer Religion oder Herkunft. Von Anfang an waren die österreichischen Juden die vom nationalsozialistischen Regime am schärfsten verfolgte Gruppe. Zahlreiche Transporte nach Dachau folgten, u. a. am 31. Mai und am 3. Juni 1938 mit je 600 jüdischen Häftlingen; schließlich erreichten die KZ-Einweisungen aus Österreich während des Novemberpogroms 1938 einen ersten Höhepunkt, als 3.700 Juden aus Wien in das KZ Dachau gebracht wurden. Weitere Transporte mit österreichischen Juden gingen in das KZ Buchenwald. Aus allen vorliegenden Berichten geht hervor, dass es während des Transportes und insbesondere bei der Ankunft in Dachau ständig zu Demütigungen und Misshandlungen der Häftlinge seitens des begleitenden SS-Personals kam. "Faules, verjudetes und verpfafftes Kaffeehausgesindel" waren die Österreicher im Jargon der SS. Der erste in Dachau umgekommene Österreicher war der am 28. April 1938 in den Selbstmord getriebene Hans Kotanyi, Gesellschafter der gleichnamigen Paprikamühle; Josef Kende wurde am 24. Oktober 1938 das erste österreichische Opfer im KZ Buchenwald. Ab dem Novemberpogrom 1938 waren oft und nahezu jeden Tag mehrere jüdische Opfer zu beklagen. Während 1938/39 noch Entlassungen von jüdischen KZ-Häftlingen - bei Vorliegen von Einreisedokumenten für andere Länder - möglich waren, setzte nach Kriegsausbruch 1939 im KZ Buchenwald ein permanenter Massenmord an Juden ein, der als Vorstufe des Holocaust anzusehen ist.


Das Buchenwaldlied

Wenn der Tag erwacht, eh' die Sonne lacht,
die Kolonnen ziehn zu des Tages Mühn
hinein in den grauenden Morgen.
Und der Wald ist schwarz und der Himmel rot,
und wir tragen im Brotsack ein Stückchen Brot
und im Herzen, im Herzen die Sorgen.

O Buchenwald, ich kann dich nicht vergessen,
weil du mein Schicksal bist.
Wer dich verließ, der kann es erst ermessen.
wie wundervoll die Freiheit ist!
O Buchenwald, wir jammern nicht und klagen,
und was auch unser Schicksal sei,
wir wollen ja zum Leben sagen,
denn einmal kommt der Tag: dann sind wir frei!

Und das Blut ist heiß und das Mädel fern,
und der Wind singt leis, und ich hab' sie so gern,
wenn treu sie, ja treu sie nur bliebe!
Und die Steine sind hart, aber fest unser Tritt,
und wir tragen die Picken und Spaten mit
und im Herzen, im Herzen die Liebe.

O Buchenwald, ich kann ...
Und die Nacht ist so kurz, und der Tag ist so lang,
doch ein Lied erklingt, das die Heimat sang.
Wir lassen den Mut uns nicht rauben.
Halte Schritt, Kamerad, und verlier nicht den Mut,
den wir tragen den Willen zum Leben im Blut
und im Herzen, im Herzen den Glauben.

O Buchenwald, ich kann ...


Der Anschluss. Die österreichische Bevölkerung machte die Erfahrung zweier faschistischer Diktaturen - derjenigen zwischen 1934 und 1938, in der es zwar auch Lager und Standgerichte gab, die aber in keiner Weise mit dem blutigen Massenterror des Nationalsozialismus vergleichbar ist, und derjenigen von 1938 bis 1945, der Nazi-Herrschaft, als Österreich Teil des "Großdeutschen Reiches" war. In Österreich herrschten also bereits vor dem "Anschluss" keine demokratischen Verhältnisse mehr. Die geringe Körpergröße des Bundeskanzlers Dollfuß gab den Gegnern Anlass zu Spott, man nannte ihn "Millimetternich". Fotos, die ihn zwischen baumlangen Heimwehrführern zeigen, wirken lächerlich und täuschen darüber hinweg, welchen Einfluss dieser Mann besaß. Er beseitigte die sozialdemokratischen Gegner mit Gewalt und baute, mit Notverordnungen und dem Standrecht regierend, einen faschistischen Staat auf, der in der Maiverfassung von 1934 seinen Ausdruck fand. Im Juliputsch wurde der Austrofaschist Dollfuß von den Nationalsozialisten ermordet.


Ihm folgte der Austrofaschist Dr. Kurt Schuschnigg ebenso ohne jegliche demokratische Legitimation als Bundeskanzler. Nach der Zusammenkunft in Berchtesgaden (Abkommen von Berchtesgaden mit Adolf Hitler) plante Bundeskanzler Dr. Schuschnigg eine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit Österreichs. Unwillig, Österreich zu retten, war er noch in dieser Stunde nicht bereit, die Sozialdemokraten wieder an der Macht zu beteiligen und die Demokratie dem Nationalsozialismus entgegen zu stellen. So war das jedoch ein untauglicher und ungeschickter Versuch, Hitler mit seinen eigenen Waffen zu schlagen. Die zusätzlichen offenkundigen Manipulationen, mit denen man vor allem Jungwähler, die als besonders anfällig für den Nationalsozialismus galten, von der Wahl ausschließen wollte, waren für Hitler ein weiterer willkommener Vorwand, mit militärischen Interventionen zu drohen für den Fall, dass die Abstimmung nicht abgesetzt würde. Außerdem verlangte er die Einsetzung von Seyß-Inquart als Regierungschef. Schuschnigg gab nach, aber die hektischen, diplomatischen und militärischen Vorbereitungen liefen weiter.

England verspürte wenig Neigung, sich militärisch für ein unabhängiges Österreich einzusetzen. Frankreich, einst der Hauptgegner des Anschlusses, war wieder einmal in einer Regierungskrise. Mussolini schließlich versprach, 1934 noch Verbündeter der Austrofaschisten, stillzuhalten. Am 10. März 1938 erließ Hitler die Weisung Nr. 1 zum militärischen Einmarsch in Österreich. Die vorübergehende Weigerung des österreichischen Bundespräsidenten Wilhelm Miklas, Seyß-Inquart zum Kanzler zu ernennen, war das Signal für eine Erhebung der österreichischen Nationalsozialisten, die alle wichtigen Ämter in kurzer Zeit besetzten. Obwohl so die Machtergreifung in Österreich längst im Gange war, gab Hitler am 11. März 1938 um 20.45 Uhr den Einmarschbefehl für den nächsten Tag. Gleichzeitig inszenierte Göring die Komödie eines Hilfe-Ersuchens von Seyß-Inquart, das dieser nie abgeschickt hatte und das Göring veröffentlichte, obwohl der österreichische Bundespräsident nachgegeben und sich auch Seyß-Inquart gegen den Einmarsch deutscher Truppen noch gesträubt hatte.

Der Einmarsch der deutschen Truppen verlief reibungslos, hunderttausende Menschen jubelten dem "Führer" zu, viele, besonders jüdische Mitbürger, begingen Selbstmord. Der Chef der Abteilung Landesverteidigung im deutschen Generalstab, Alfred Jodl, scherzte mit seinen Soldaten: "Lassen Sie alle Kraftfahrer unbedingt Brillen aufsetzen, sonst werden ihnen durch die Blumen die Augen ausgeschossen." In Wien trieben an diesem Tag die neuen Machthaber Juden und politische Gegner zu den berüchtigten "Reibpartien". Mit Bürsten und ätzender Lauge mussten sie die Schuschnigg-Parolen vom Straßenpflaster reiben. Der "Daily-Telegraph" - Korrespondent G.E.R. Gedye beschrieb in seinem Buch "Die Bastionen fielen. Wie der Faschismus Wien und Prag überrannte" die Demütigungen: "Die erste Reibpartie sah ich auf dem Parterstern. Sie musste das Bild Schuschniggs entfernen, das mit einer Schablone auf den Sockel eines Monuments gemalt worden war. SA-Leute schleppten einen bejahrten jüdischen Arbeiter und seine Frau durch die beifallklatschende Menge. Tränen rollten der alten Frau über die Wangen, und während sie starr vor sich hinsah und förmlich durch ihre Peiniger hindurchblickte, konnte ich sehen, wie der alte Mann, dessen Arm sie hielt, versuchte, ihre Hand zu streicheln. "Arbeit für die Juden, endlich Arbeit für die Juden!" heulte die Menge. "Wir danken unserem Führer, er hat Arbeit für die Juden beschafft!"."

Bereits am 12. März 1938 abends landeten Reichsführer-SS Himmler und der Chef des SD, Heydrich, in Wien. Listen der österreichischen Oppositionellen (Sozialdemokraten, Kommunisten, Christlichsoziale) waren vorhanden. Auch die Exekutive und das Österreichische Bundesheer waren zu diesem Zeitpunkt bereits von nationalsozialistischen Kräften durchsetzt. Gegner des Regimes wurden in Schutzhaft genommen. Die Führung der NSDAP-Österreich stellte sich diesen "Anschluss" so nicht vor. Dr. Arthur Seyss-Inquart und der provisorische Gauleiter Klausner hatten eine Art von Teilsouveränität angestrebt. Erst das frenetische Jubeln der Österreicher veranlasste den "Führer", den kompletten Anschluss an das Deutsche Reich zu vollziehen. Gauleiter Bürckel wurde beauftragt, die "Abstimmung" am 20. April 1938 zu organisieren. Das Resultat: Über 99 Prozent für Hitler. Tausende politische Gegner wurden bereits vorher verhaftet, dies unter tatkräftiger Beteiligung der österreichischen Exekutive.

Die Folgen für Österreich: 90.000 kg an gemünztem und ungemünztem Gold im damaligen Wert von rund 540 Millionen Schilling wurden an die Reichsbank Berlin transferiert, zuzüglich Valuten und Devisen im Werte von etwa 60 Millionen Schilling. Der Nationalbankausweis vom 23. Februar 1938 wies einen Bestand von etwa 250 Millionen Schilling aus. Das Deckungsverhältnis war seit dem 31. Dezember 1934, an dem es 32,3 Prozent betrug, auf etwa 45 Prozent gestiegen. – Österreich wäre wirtschaftlich lebensfähig gewesen, politisch nicht. Unter anderem erhielt das Deutsche Reich 1.909 Lokomotiven, 249 elektrische Triebfahrzeuge, u.a. die gesamten österreichischen staatlichen Betriebe (Erzberg, sämtliche Rechte an staatlichen Betrieben und deren Nutzungsrechte). Hermann Göring äußerte sich mehrmals, dass die deutsche Aufrüstung ohne dem Anschluss Österreichs nicht so reibungslos vonstatten gegangen wäre.

Feige Prominente. Vom Prominententransport nicht betroffen waren die wirklich Prominenten. Sie hatten sich arrangiert. Der christlich-soziale Politiker Wilhelm Miklas war vom 10.Dezember 1928 bis 13. Dezember 1938 Bundespräsident. Seine Amtsführung dienerte dem Faschismus, weil er weder 1933 die Ausschaltung des Nationalrats verhinderte, noch die Regierungsarbeit auf Grund des kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzes untersagte. Seine Amtszeit wäre nach sechs Jahren abgelaufen gewesen, trotzdem repräsentierte er weiter für den faschistischen Ständestaat. Doch 1938 zeigte er noch einmal ein Fünkchen Mut, ließ sich doch auch diesen abkaufen. Er trat 1938 zurück, um die rechtmäßige Entstehung des Anschlussgesetzes im Sinne der Verfassung aus dem Jahre 1934 nicht unterzeichnen zu müssen, und erhielt dafür eine "Ehren-Pension" von Adolf Hitler zugesprochen.

Der glücklose Kanzler Kurt Schuschnigg versuchte, in einer Erklärung vom 11. Juni 1938 seine Politik im Nachhinein zu rechtfertigen. Er schloss diese Erklärung mit den Worten: "Persönlich erkläre ich meinen festen und freien Willen, in bedingungs- und vorbehaltloser Loyalität zu Führer, Reich und Volk zu stehen, und wäre froh, der deutschen Sache dienlich sein zu können". Dass der Prominente es auch noch unter den Nazis besser hatte und eine Behandlung erfuhr, von der die im "Prominententransport" nur träumen konnten, zeigt ein Auszug aus den Wachvorschriften der Gestapo Wien vom 8. September 1938: "Dem Sch. ist das Betreten des WC auf Verlangen zu gestatten. Vor dem Betreten muss jedoch das Fenster des WC geschlossen werden. Der diensthabende Wachtmeister hat den Sch. auch während des Aufenthaltes im WC in taktvoller Weise zu überwachen. Die Tür zum WC ist während des Aufenthaltes des Sch. in diesem Raum nicht ganz zu verschließen, so dass eine Überwachungsmöglichkeit besteht . . . Außerdem ist es dem Sch. gestattet, sich Obst und Zigaretten besorgen zu lassen . . . der Wachhabende hat darauf zu achten, dass kein übermäßiger Verbrauch von Alkohol und Zigaretten erfolgt. Falls Sch. an einem Tag mehr als 30 Zigaretten verlangt, ist auf Zimmer 316 Meldung zu erstatten."

Der ehemalige Vorarlberger Heimwehrführer und Landeshauptmann Otto Ender, Kurzzeit -Bundeskanzler und Schöpfer der austrofaschistischen Maiverfassung von 1934, der bis zum Anschluss noch Rechnungshofpräsident war, ließ sich nach 1945 als Verfolgter des Nazi-Regimes bezeichnen. Dem Demokratiefeind hatten die Nazis nicht mehr getan als ihn zu beobachten. Miklas hatte Otto Ender in den Märztagen des Jahres 1938 zweimal gebeten das Amt des Bundeskanzlers zu übernehmen, damit er nicht den Nazi Seyß-Inquart bestellen müsse. Doch Otto Ender drückte sich feige und arrangierte sich in der Folgezeit.


Weiterführende Links:
Wiener Zeitung: Österreichs Weg zum Anschluss im März 1938
Dachaulied "dank" Vorarlberger Zöllner? (Free mp3)
Free mp3: Die Moorsoldaten - Lied vom Börgermoor
Franz Lehár in Wien unter Hausarrest gestellt

[Erwähnte Kalendertage in diesem Beitrag: 10. Dezember 1928, 11. März 1938, 12. März 1938, 13. März 1938, 1. April 1938, 20. April 1938, 11. Juni 1938, 8. September 1938, 24. Oktober 1938]

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