2. April 1850

2. April 1850 - Ludwig Pfau steckbrieflich gesucht: "Wegen politischen Vergehens, Hochverrats und Verbreitung von Schriften" wird vom Untersuchungsgericht Heilbronn steckbrieflich gesucht: Ludwig Pfau." Als die Revolution scheiterte, floh Pfau Anfang Juni 1849 zunächst aus Württemberg nach Heidelberg, in der Nacht vom 11. auf den 12. Juli 1849 in die Schweiz.

Badisches Wiegenlied. Ende 1847 kommt Ludwig Pfau nach Stuttgart und will ein eigenes Satireblatt nach dem Vorbild der "Fliegenden Blätter" machen. Im Januar 1848 erscheint auch tatsächlich die erste Nummer des "Eulenspiegel". Pfau engagiert sich für demokratische und republikanische Ziele nicht zuletzt im württembergischen Landesausschuss. Das "Badische Wiegenlied" mit den Versen "Schlaf', mein Kind, schlaf' leis, dort draußen geht der Preuß'..." ist Pfaus Abgesang auf die Revolution. Es ist weit mehr als nur eine Kritik an den Zuständen, an der Reaktion, es drückt die Enttäuschung über das Bürgertum, den deutschen Michel aus, das wieder seine Chancen auf Demokratie, Republik und Fortschritt verschläft und in das Untertänigkeitsverhältnis zurück fällt.



Badisches Wiegenlied

1. Schlaf', mein Kind, schlaf leis',
Dort draußen geht der Preuß',
Deinen Vater hat er umgebracht,
Deine Mutter hat er arm gemacht,
Und wer nicht schläft in guter Ruh',
Dem drückt der Preuß' die Augen zu.

Refrain:
Schlaf', mein Kind, schlaf leis',
Dort draußen geht der Preuß'

2. Der Preuß' hat eine blut'ge Hand,
Die streckt er über's badische Land,
Wir alle müßen stille sein
Als wie dein Vater unterm Stein.
Refrain

3. Zu Rastatt auf der Schanz',
Da spielt er auf zum Tanz,
Da spielt er auf mit Pulver und Blei,
So macht er alle Badener frei.
Refrain

4. Gott aber weiß, wie lang er geht,
Bis dass die Freiheit aufersteht,
Und wo dein Vater liegt, mein Schatz,
Da hat noch mancher Preuße Platz.
Schrei, mein Kindlein, schrei's:
Dort draußen liegt der Preuß!


Im März 1848 brach die Revolution aus und es wurden Märzministerien in Baden und in Württemberg eingerichtet. Gleichzeitig wurden Forderungen wach, die weiter reichten. Besonders im Südwesten Deutschlands gab es Bestrebungen, die Monarchie insgesamt abzuschaffen. Der badische Rechtsanwalt Hecker sammelte Anhänger und rief in Konstanz die Republik aus. Bei seinem Zug durch Südbaden sammelte er weitere Getreue, scheiterte aber militärisch in einem Gefecht gegen reguläre Truppen aus Baden, Württemberg und Hessen. Hecker floh danach in die USA. Dort lebte er bis 1881 als Farmer und nahm am Amerikanischen Bürgerkrieg auf der Seite der Nordstaaten als Major teil. Sein Andenken in der Bevölkerung war überaus positiv.
Nach der Ablehnung der Reichsverfassung und der Kaiserkrone durch den preußischen König setzten insbesondere die Republikaner die Revolution fort. Ab 12. Mai 1849 war Baden in der Hand des Volksaufstandes. Die Soldaten rebellierten und die Volksvereine in Baden versammelten sich und übernahmen die Regierungsgewalt. Die Versuche, den Aufstand auszudehnen, scheiterten. Der Marsch nach Hessen-Darmstadt wurde zurückgeschlagen, die württembergischen Volksvereine lehnten eine Teilnahme ab. Preußische Truppen intervenierten, um den Aufstand niederzuschlagen.

Wesentlich besser ausgerüstet als die Aufständischen konnten sie in einigen Schlachten in Nordbaden, bei Germersheim und Waghäusel, diese zurückdrängen. Die Anhänger der Revolution zogen sich am 30. Juni 1849 in die Festung Rastatt zurück. Am 23. Juli 1849 mussten sie kapitulieren. Es folgten Verurteilungen und Hinrichtungen, die sich bis in den Oktober 1849 hinzogen. Sie sind wohl der Hintergrund für die letzte Strophe, die Pfau später hinzufügte. Einigen wenigen gelang es auch zu fliehen. Bekannt ist Carl Schurz, der durch Abwässerkanäle aus der Festung heraus gelangen konnte. Er emigrierte nach Nordamerika und wurde Innenminister der Vereinigten Staaten.

Das Lied ist musikalisch in zwei Strophen geteilt, die einen gegensätzlichen Eindruck machen. Der erste Teil ist in Moll gehalten, der aggressive zweite Teil in der gleichnamigen Dur-Tonart. Das entspricht dem Text im ersten Teil, bestehend aus drei Textstrophen. Der zweite Teil bietet im Text die Aussicht auf Rache, deshalb auch ein Höhepunkt mit einer Fermate auf dem Text "die Freiheit aufersteht". Schließlich endet das Lied mit einem dramatischen Finale.



Flucht: Schweiz - Paris. Als die Revolution scheiterte, floh Pfau Anfang Juni 1849 zunächst aus Württemberg nach Heidelberg, wo er mit dem badischen Volksheer nach Nordwürttemberg vorstoßen wollte. Die Konfrontation mit den anrückenden preußischen Truppen lies dies misslingen und Ludwig Pfau flüchtete in der Nacht vom 11. auf den 12. Juli 1849 in die Schweiz. Pfau konnte in der Schweiz seinen Lebensunterhalt nicht erarbeiten und gegenüber Emigranten war man schon damals nicht nur gastfreundlich, umsomehr die vielen Emigranten natürlich auch die Außenpolitik der kleinen Schweiz belasteten.

Er siedelte 1852 nach Paris über. Hier arbeitete er in seinem erlernten Beruf als Gärtner, dann in einer Kautschukfabrik, aber auch journalistisch und macht sich als Kunstkritiker einen Namen. Er war ja bereits 1839 in Paris gewesen. Nach dem Gymnasium in Heilbronn wollten die Eltern einen Pfarrer aus ihm werden lassen. Dem widersetzte er sich und erlernte die Gärtnerei im elterlichen Betrieb. Anschließend war er eben in Paris als Gärtner und als Student. Wie sehr er damals bereits an dem technischen Fortschritt interessiert war, zeigt sein Bericht als Zeitzeuge der Geburt der Fotografie (Daguerreotypie) in der Französischen Akademie:

1862 erlaubte eine Generalamnestie den Revolutionären eine Rückkehr nach Württemberg. Auch Ludwig Pfau kehrte zurück, nicht nach Heilbronn, sondern nach Stuttgart. Dort spielte er neben seiner journalistischen Tätigkeit auch wieder eine politisch aktive Rolle, nämlich bei der Gründung der späteren demokratischen Partei, einer Vorgängerin der heutigen FDP.

Naturgemäß geriet er auch weiterhin mit der Staatsmacht in Konflikt. 1877 erstattete das preußische Staatsministerium gegen ihn Anzeige wegen Beleidigung und Pfau wurde zu drei Monaten Gefängnis verurteilt, die er in Heilbronn auch wirklich absitzen musste. Es wird von großer Anteilnahme der Bevölkerung berichtet. Zum siebzigsten Geburtstag jedenfalls, am 25. August 1891, verlieh die Stadt Heilbronn dem Dichter das Ehrenbürgerrecht. Knapp drei Jahre später starb er an eine Schlaganfall. Seine Urne wurde in Heilbronn beigesetzt.

Bei diesem spannenden Lebenslauf ist das dichterische Werk ganz unter die Räder gekommen. Aber Lyrik kann man schwer beschreiben. Man kann sie aber in großen Teilen, insbesondere die sehr schöne Liebeslyrik, im Internet lesen und herunterladen.


[Erwähnte Kalendertage in diesem Beitrag: 2. April 1850, 12. Mai 1849, 30. Juni 1849, 11. Juli 1849, 12. Juli 1849, 23. Juli 1849]

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