Emmy Freundlich (*25.6.1878-†16.3.1948)

Emmy Freundlich (* 25. Juni 1878 in Aussig in Böhmen; † 16. März 1948 in New York City) war eine österreichische Politikerin der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs (SDAP) und Schriftstellerin.

Bei der Wahl am 16. Februar 1919 zur konstituierenden Nationalversammlung hatten Frauen in Österreich erstmals das passive und aktive Wahlrecht. Sie gehörte zu den ersten acht Frauen im österreichischen Parlament, der konstitutionierenden Nationalversammlung von 1919.

Frauenwahlrecht. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges und der Ausrufung der Republik wurde in Österreich das allgemeine und gleiche Frauenwahlrecht eingeführt. Ab 1918 hatten somit auch die Frauen in Österreich das aktive und passive Wahlrecht, nachdem das allgemeine und gleiche Männerwahlrecht bereits 1907 eingeführt worden war. In historischer Perspektive ist die Einführung des Frauenwahlrechts nicht nur als direkte Folge des Weltkrieges und der spezifischen politischen und gesellschaftlichen Situation nach dem Zusammenbruch der k.-u.-k.-Monarchie zu sehen. Sie ist v.a. als das Resultat eines lang andauernden und harten Kampfes der Frauen um Partizipationsmöglichkeiten zu werten, bei dem Männerinteressen immer wieder den Interessen von Frauen übergeordnet wurden. Vor dem Hintergrund der russischen Revolution und der Furcht vor ähnlichen Unruhen war am 26. Jänner 1907 das allgemeine und gleiche Wahlrecht für Männer eingeführt worden – zweifellos ein Erfolg der sozialdemokratischen Partei. Mit der Einführung des allgemeinen und gleichen Männerwahlrechts hatte aber auch der Ausschluss der Frauen von jeglicher politischer Mitbestimmung seinen Höhepunkt erreicht. Mit der Abschaffung des Kuriensystem wurde zwangsläufig auch den wenigen Großgrundbesitzerinnen das Wahlrecht entzogen.

Acht Frauen. Die ersten acht weiblichen Abgeordneten zogen am 4. März 1919 ins Parlament ein (sieben Sozialdemokratinnen, eine Christlichsoziale). Die erste christlichsoziale Abgeordnete war Hildegard Burjan geborene Freund (* 30. Januar 1883 in Görlitz, Lausitz; † 11. Juni 1933 in Wien). Sie war auch die Ordensgründerin der Schwesterngemeinschaft Caritas Socialis.

Sozialdemokratinnen. Fast alle sozialdemokratischen Vorkämpferinnen stammten aus einfachsten Verhältnissen und waren selber schon von Kinderarbeit betroffen. Adelheid Popp verrichtete bereits im Alter von acht Jahren Heimarbeit, Anna Boschek arbeitete im zehnten Lebensjahr in einer Trikotfabrik, Maria Tusch als Zwölfjährige in einer Tabakfabrik. Therese Schlesinger, die sich für Mütter- und Kinderschutz stark machte, trieb die politische Emanzipation der Frauen voran und prägte den Spruch: Nichts ist kulturfeindlicher als die Demut des Weibes. Ihr erster Antrag: Zulassung von Mädchen an allen Schulen. Adelheid Popp war die erste Frau, die im Parlament das Wort ergriff, mit einer Rede zum Adelsaufhebungsgesetz. Gemeinsam mit Amelie Seidel organisierte sie den ersten Österreichischen Frauenstreik. Auch dafür, jährlich einen Internationalen Frauentag abzuhalten, setzte sich Adelheid Popp ein. Amelie Seidel kämpfte für einen Zehn-Stunden-Arbeitstag und einen arbeitsfreien ersten Mai. Gabriele Proft setzte sich für die Entkriminalisierung der Abtreibung ein, betrieb vehement Friedenspolitik und kam 1944 ins KZ Maria Lanzendorf. Sie überlebte und war als einzige der acht Polit-Pionierinnen auch noch in der Zweiten Republik im Parlament vertreten.

Emmy Freundlich. Im Gegensatz zu anderen sozialistischen Mitstreiterinnen stammte Emmy Freundlich aus einer wohlhabenden Familie: Sie wurde 1878 in Aussig (Böhmen) als mittleres von drei Kindern eines Ingenieurs und Bürgermeisters als Emmy Kögler geboren. Nach dem Tod des Vaters und der Erkrankung der Mutter kümmerte sie sich um den Haushalt und die finanziellen Angelegenheiten der Familie. Dies sollte nur der Anfang ihres autodidaktischen Studiums sein, im Lauf dessen sie sich ein Wissen über Wirtschaftspolitik und Volkswirtschaftlehre aneignete. Sie sympathisierte schon früh mit der Sozialdemokratie – im Gegensatz zu ihrer protestantisch-bürgerlichen Familie. Ab 1899 kam sie in Kontakt mit Protagonistinnen der sozialdemokratischen Frauenbewegung und publizierte in sozialdemokratischen Zeitschriften.

Leo Freundlich.
In diesem Umfeld lernte sie auch Leo Freundlich, den Herausgeber einer sozialdemokratischen Zeitung in Mährisch-Schönberg, kennen. Die beiden heirateten und bekamen bald darauf zwei Töchter. Es war aber keine gewohnliche Heirat. sie war nur möglich, indem sie ins schottische Heiratsparadies Gretna Green "flüchteten". Freilich blieb es bei dieser Romanze: 1911 zogen die Freundlichs nach Wien und trennten sich. Leo Freundlich wird übrigens noch heute wegen seines Buches 'Albaniens Golgotha' (1913) verehrt und gelesen und hatte eine albanische Diplomatenkarriere gemacht . Losgelöst von der Sozialdemokratie wurde er Repräsentant des albanischen Königs Zogu und hat dort als "Königlich albanischer Pressechef" gewirkt.

Sozialdemokratische Frauen. Emmy Freundlich begann sich in den sozialdemokratischen Frauenorganisationen zu engagieren. Frauenpolitisch bezog Emmy Freundlich angeblich eine ambivalente Haltung. Frauenspezifische Organisierung innerhalb der Gewerkschaften fand sie notwendig. Ablehnend war jedoch ihre Haltung gegenüber politischen Frauenvereinen, die keine primär gewerkschaftlichen, also solche, welche der Verbesserung der ökonomischen Verhältnisse als Ziele verfolgten. Ab 1912 begann ihr Engagement in der Konsumgenossenschaftsbewegung. 1917 wurde sie hauptamtliche Sekretärin der Kinderfreunde.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Freundlich 1919 sozialdemokratische Abgeordnete im Nationalrat. 1923 avancierte sie zur Direktorin des Ernährungsamtes. Als einzige Frau war sie überdies Mitglied der Wirtschaftssektion des Völkerbundes.

Internationale Karriere. Auf internationaler Ebene wurde Emmy Freundlich 1921 zur Präsidentin der International Cooperative Women´s Guild (ICWG, Internationale Genossenschaftliche Frauengilde) gewählt und bis zu ihrem Tode in dieser Funktion immer wieder bestätigt. Als anerkannte Wirtschaftspolitikerin wurde sie Mitglied der Wirtschaftssektion des Völkerbundes und war 1927 Delegierte auf der internationalen Weltwirtschaftkonferenz in Genf.

1934 wurde Emmy Freundlich verhaftet, bald darauf aber - nachdem international interveniert wurde - wieder entlassen. 1939 ging sie ins Exil nach London und war dort weiterhin für die Genossenschaftsbewegung tätig. 1947 übersiedelte sie nach New York, um als Beobachterin der ICWG beim Wirtschafts- und Sozialrat der UNO tätig zu werden, starb aber bald darauf – 1948 – an Krebs.

Links:
Das rote Wien - Weblexikon der Wiener Sozialdemokratie

Onlinie-Autobiografie: Lehrjahre in der Heimat. - In: Gedenkbuch : 20 Jahre Österreichische Arbeiterinnenbewegung / im Auftrag des Frauenreichskomitees herausgegeben von Adelheid Popp. - Wien, 1912, S. 146 - 152

Die Frauenfrage : 10 Vortragsdispositionen. - Wien, 1912

[Erwähnte Kalendertage in diesem Beitrag:
30. Januar 1883, 16. Februar 1919, 4. März 1919, 16. März 1948, 11. Juni 1933, 25. Juni 1878,]

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