4. Mai: Ludwig II. Von Bayern baut sich Bayreuth

Richard Wagner - steckbrieflich gesucht. Seit Mai 1849 wurde er wegen der Beteiligung an der 1848er Revolution in Dresden steckbrieflich gesucht und konnte erst 1862 wieder nach Deutschland zurückkehren. Umso verwunderlicher, dass ihn Ludwig II. von Bayern 1864 nach München ruft, worauf sich dann am 22. April 1872 Richard Wagner in Bayreuth niederlässt.

Gründung. An seinem 59. Geburtstag, nur einen Monat später, dem 22. Mai 1872, wurde auf dem Grünen Hügel nördlich von Bayreuth der Grundstein zu seinem eigenen Theater, dem Festspielhaus, gelegt. Damit hat er sich endlich vom großstädtischen Repertoire-Theater befreien können, an dem er immer wieder verzweifelt war. Das Richtfest wird am 2. August 1873 mit Feuerwerk und Volksfest begangen. Jeder Quadratmeter kostete umgerechnet fast genau 1000 Euro. Dabei ist der im Mai 1882 fertig gestellte Königsbau (Vorbau in der Fassadenmitte) noch gar nicht mitgerechnet. Die ersten Festspiele beginnen am 13. August 1876 mit "Rheingold".

Doch der Traum Wagners ist noch keineswegs gesichert. Der Bau des Festspielhauses gerät schon 1874 aufgrund finanzieller Schwierigkeiten ins Stocken. Als dann noch das Münchner Hofsekretariat die Übernahme einer finanziellen Garantie für Bayreuth ablehnt, steht das Unternehmen vor dem Aus. Am 25. Januar 1874 fasst König Ludwig II. jedoch den Entschluss, Richard Wagner zu helfen. Und so wird am 20. Februar ein Kreditvertrag zwischen dem "Verwaltungsrat der Bühnenfestspiele" und dem Münchener Hofsekretariat geschlossen, mit dem die Finanzierung vorerst gesichert ist.



Ludwig II. Es mutet merkwürdig an. Wagner hatte immer nach einem adeligen Gönner Ausschau gehalten, der ein, nein sein Theater finanzieren könnte. Schon 1850 im Züricher Exil hatte Wagner ein Festspielhaus "angedacht". An seinen späteren Schwiegervater Franz Liszt - dessen Tochter hatte er eben erst bei deren Hochzeitsreise kennen gelernt - schreibt er am 20. November 1851: "Die Aufführung meiner Nibelungendramen muss an einem großen Feste stattfinden, welches vielleicht eigens zum Zwecke eben dieser Aufführung zu veranstalten ist. Sie muss dann an drei aufeinander folgenden Tagen vor sich gehen, an deren Vorabende das einleitende Vorspiel gegeben wird."

Seit Mai 1849 wurde er wegen der Beteiligung an der 1848er Revolution in Dresden steckbrieflich gesucht und konnte erst am 1. Februar 1962 wieder nach Deutschland zurückkehren. Umso verwunderlicher, dass ihn Ludwig II. von Bayern 1864 nach München ruft und es am 4. Mai 1864 zu einer für die Zukunft Bayreuths und Wagners denkwürdigem Treffen kommt. Der frisch gebackene verschwenderische König ließ Wagner sofort nach seinem Amtsantritt suchen, war er ja nicht nur auf der Flucht vor der Reaktion sondern auch vor seinen Gläubigern. Richard Wagner scheint jedenfalls sehr angetan und so scheint es kein Zufall, dass Richard Wagner ausgerechnet am Geburtstag Ludwig II. Cosima von Bülow (die Tochter von Franz Liszt) heiratet. Ludwig II. regelte nicht nur die Finanzierung des Fespielhauses. Er regelte auch Wagners Schulden.

Cosima. Richard Wagner war als "Alt-1848er" in München nicht gerade beliebt. Auch bei den Beamten nicht. Wohl auch weil Wagner das doppelte Gehalt eines Staatsekretärs bekam. Da passte das Gerücht eines ehebrecherischen Verhältnisses von Wagner mit der Ehefrau des Hofkapellmeisters Bülow, der auch etliche Wagneraufführungen dirigierte, wie die Faust aufs Auge. 1865 stellte deswegen die gesamte Ministerriege Ludwig ein Ultimatum: Entweder er jagt den Ehebrecher fort oder man tritt geschlossen zurück. Wagner dementierte gegenüber Ludwig das Verhältnis mit Cosima und verlangte, dass er für ihn eine Ehrenerklärung in der Öffentlichkeit abgebe. Ludwig wollte ihm glauben und tat's, wiewohl alle Spatzen längst das Gegenteil von den Dächern pfiffen. Allerdings kam die Wahrheit denn doch ans Licht und Wagner musste wiederum kurzfristig als "Ehebrecher" in der Schweiz Quartier nehmen. Cosima hatte er übrigens während seiner Emigrantenzeit in Zürich, als er nach 1849 in den deutschen Staaten steckbrieflich gesucht wurde, kennen gelernt. Hans und Cosima von Bülow besuchten ihn dort auch am 31. August 1857 auf ihrer Hochzeitsreise.



Neuerliches Defizit. Die Schwierigkeiten waren aber auch mit der Finanzierung des Baus in Bayreuth noch nicht aus dem Wege geräumt. Als ab 13. August 1876 der gesamte Zyklus des "Ring der Nibelungen" aufgeführt wird, bahnt sich das nächste Desaster an. Die Festspiele schließen mit einem Defizit von umgerechnet 1,14 Millionen Euro. Zur Abdeckung des Bayreuther Defizits kommt am 31. März 1878 ein Tantiemen-Vertrag mit München zustande: Bayreuth erhält ein verzinstes Darlehen von umgerechnet 766.938 Euro, das aus den Tantiemen der Münchner Wagner-Aufführungen zurückgezahlt wird.


Links:

10. Juni: Verrücktes Bayernland
Bayreuther Festspiele
Richard Wagner Werkstatt
Richard Wagners Antisemitismus. Jahrhundertgenie im Zwielicht. Eine Korrektur.
Anhören: Hochzeitsmarsch aus Lohengrin (arranged for piano or organ and edited by Pierre Gouin)
Richard Wagner als Vorläufer der Nazis?

[Erwähnte Kalendertage in diesem Beitrag: 22. April 1849, 22. April 1872, 2. August 1873, 13. August 1876, 25. Januar 1874, 20. November 1851, 1. Februar 1962, 4. Mai 1864, 31. August 1857, 13. August 1876, 31. März 1878]

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