28.April 1521

Schutzhaft. Am 28. April 1521 teilt der Reformator Martin Luther dem Maler Lucas Cranach d. Ä. als einzigem seiner Freunde seine bevorstehende "Schutzhaft" mit: "...Ich lasse mich eintun und verbergen, weiß selbst noch nicht wo..." Cranach brachte auch einen Vorarlberger ins Bild, der als erster Priester entgegen seinem Gelübde heiratete.

Luther & Cranach. Mit den 95 Thesen, die Martin Luther am 31. Oktober 1517 veröffentlichte, nahm die Reformation ihren Anfang. Der aus Franken stammende Künstler Lucas Cranach d. Ä. (seinen Namen nahm er nach seiner oberfränkischen Geburtsstadt Kronach an) hatte daran seinen Mitverdienst. Mit hunderten von Gemälden und Grafiken diente der Hofmaler auch der Reformation und gab der protestantischen Botschaft seines Freundes Martin Luther künstlerischen Ausdruck.

Luther war Patenonkel seiner 1520 geborenen Tochter Anna, und Cranach hatte für Luther um die Hand Katharina von Boras geworben. Katharina von Bora wurde 1499 als Tochter eines verarmten Adligen geboren. Sie besucht ab 1504 die Klosterschule der Benediktinerinnen Brehna. 1508 tritt sie als Neunjährige in das Kloster Nimbschen (bei Grimma) ein, wo sie 1515 das Gelübde ablegt. Damit wird sie zum frühestmöglichen Termin Nonne. Ostern 1523 gelingt Katharina mit elf weiteren Nonnen die Flucht aus dem Kloster. Sie findet Aufnahme im Hause Cranachs des Älteren in Wittenberg.

Luther wiederum hatte Cranach nicht nur seine alsbaldige Schutzhaft angekündigt sondern auch Cranachs Gattin dabei ausdrücklich grüßen lassen. Mit Holzschnitten für Flugblätter, mit Altargemälden und Illustrationen zu Luthers Schriften leistete Cranach einen wesentlichen Beitrag, den Reformator und die Lehre des neuen Glaubens bekannt zu machen. Luthers Übersetzung des Neuen Testaments erschien 1522 als so genannte "Septemberbibel" im Verlag Cranachs. Wie sehr auch Luther um die Geschäfte seines Freundes Cranach bemüht war, zeigt ein derber Seufzer von ihm, denn in Cranachs Druckerei werden vor allem Lutherschriften gedruckt: "Ich wünsche von Herzen, gar nichts mehr herauszugeben, denn ich bin müde, solche Dinge zu schreiben. Aber des Lucas Presse braucht Unterhalt. Ich bin der Knecht des Gewinnes oder Geizes anderer geworden." Als Martin Luther 1526 heiratet, sind Cranach und seine Gattin Luthers Trauzeugen, und auch Taufpate, als Luthers ältester Sohn Johannes 1526 geboren wird.

Protestantische Kunst. Bei Cranachs Tochter Anna war Martin Luther Taufpate. Bei der Eheschließung Martin Luthers mit Katharina von Bora waren die Eheleute Cranach Trauzeugen. Von Luthers erstem Sohn Johannes wurde Cranach Taufpate. Cranach wurde durch seine Freundschaft mit Luther und Melanchthon zum Schöpfer einer protestantischen Kunst (u.a. Holzschnitte zur Bibel und für Reformationsschriften). Die Ausführung der Aufträge für Bildnisse, religiöse und mythologischer Bilder überließ Cranach immer mehr seiner Werkstatt, in der auch seine Söhne Hans Cranach (*1510, †1537) und Lucas Cranach d. J. (*1515, †1586) arbeiteten.

Der erste Akt. Cranachs erste bekannten, seit etwa 1500 in Österreich entstandenen Werke, in denen sich Figurendarstellung und Landschaft zu malerischer Einheit verbinden, gehören zugleich zu den frühesten Bildern der Donauschule. 1505 wurde er von Friedrich dem Weisen nach Wittenberg berufen, wo sich seine Kunst sehr bald zur linienbetonten Form seiner Spätzeit zu wandeln begann. Durch die Aufnahme des weiblichen Aktes, unter mythologischem Vorwand, wurde sein Themenkreis erweitert. Am Beispiel der Arbeiten Lukas Cranachs wird einsichtig, dass die Darstellung menschlicher Nacktheit auch im unmittelbaren Umkreis der Reformatoren keinerlei Einschränkungen unterlag, solange die Nacktheit christlich oder aber allgemein moralisch begründbar war. Damit entsprach die Nacktdarstellung dem Geist der Zeit, der Kunst in funktionalen Zusammenhängen dachte. Interessant ist im Kontext der Darstellung von Adam und Eva in der abendländischen Kunstgeschichte der Übergang von der Nackt- zur Akt-Darstellung. Cranach hat auch als erster bekannt gewordener Künstler außerhalb Italiens einen reinen Frauenakt gemalt. Er hat damit auch die Moderne beeinflusst, besonders durch sein Spätwerk: Das "Urteil des Paris" in seinen mannigfachen Variationen oder "Venus und Amor" inspirierte die Expressionisten Ernst Ludwig Kirchner und Erich Heckel, vor allem aber Pablo Picasso und selbst Alberto Giacometti. Der Eros, der einer wissenschaftliche Erforschung der Ikonologie Cranachs lange entgegen stand, gewann im 20. Jahrhundert eine ganz andere Bedeutung: Die brisante Doppeldeutigkeit der Bilder gilt heute gar als eine der interessantesten Facetten in seinem Werk.

Vorarlberger im Bild. Berühmt ist Cranachs Dessauer Abendmahlsbild, das auch einen "Vorarlberger" zeigt. Dieses Abendmahlsbild von Cranach versammelt alle wichtigen mit der Reformation verbundenen Leute in Deutschland: den Stifter Joachim von Anhalt, den Maler Lukas Cranach, Herzog Georg von Anhalt, Martin Luther, Bugenhagen, Justus Jonas, Caspar Cruciger, Melanchthon, Johann Forster, Johann Pfeffinger, Georg Major und den aus Schlins/Feldkirch stammenden Bartholomäus Bernhardi.

Erster verheirateter Priester. Der Ankündigung Luthers, sich in "Schutzhaft" zu begeben, folgte seine "Entführung" auf die Wartburg und hinderte ihn auch an der ersten Verehelichung eines Priesters, des Vorarlbergers Bartholomäus Bernhardi teilzunehmen. Deftig gratulierte ihm Luther aus der Wartburg: "dass er den neuen Ehemann bewundere, der in dieser stürmischen Zeit nichts fürchte und dazu so sich beeilt habe. Gott wolle ihn leiten und geben, dass er in dem sauren Salat, den er sich damit angerichtet habe, doch auch einige Süßigkeiten verspüren möge."


Bernhardi Bartholomäus.
(*24.8.1487 in Schlins/Feldkirch, †21.7.1551 in Kemberg bei Wittenberg) Bartholomäus Bernhardi studierte in Erfurt, war seit 1504 in Wittenberg und wurde Magister artium. In Chur erhielt er die (katholische, altgläubige) Priesterweihe, kehrte aber bald nach Wittenberg zurück und wurde Professor der Physik, 1512 Dekan der Philosophischen Fakultät und 1518 Rektor der Universität. Bartholomäus Bernhardi promovierte 1516 zum Lic. theol. unter dem Vorsitz Martin Luthers, auf dessen Seite er 1517 im Ablassstreit stand und wurde 1518 Propst und Pfarrer in Kemberg. Bartholomäus Bernhardi verkündigte nicht nur die evangelische Lehre, sondern trat auch 1521 als erster Prediger in den Ehestand. Er vermählte sich trotz seines Priestergelübdes in Kemberg mit der Kemberger Bürgerin Gertraude Pannier. Aus dieser Ehe gingen sieben Kinder hervor. Damit wurde er der Begründer des evangelischen Pfarrhauses. Der Erzbischof von Magdeburg, Kurfürst Albrecht von Mainz, verlangte vom Kurfürsten von Sachsen, Friedrich dem Weisen, die Auslieferung Bernhardis an das geistliche Gericht. Zu seiner Rechtfertigung sandte Bernhardi dem Erzbischof eine Verteidigungsschrift: "Apologia pro M. Bartholomaeo praeposito, qui uxorem in sacerdotio duxit", die in mehreren lateinischen und deutschen Ausgaben in Erfurt und Wittenberg 1521 und 1522 erschien. Da sich der Erzbischof mit dieser Rechtfertigungs- und Verteidigungsschrift nicht zufrieden gab, wandte sich Bernhardi an seinen Landesherrn, den Kurfürsten von Sachsen, der seinen Prediger schützte und nicht auslieferte.

Berhardis Ehe war auch von dem Reformator Karlstadt in einer Druckschrift verteidigt worden ("Das die Priester Eeweyber nemen mögen vnd sollen. Beschutz red des würdigen herren Bartolomei Bernhardi, probsts zü Camberg, so von Bischoff von Meydburg gefordert, antwurt zü geben, das er in priesterlichem standt, eyn iungkfrauw zü Ee genommen hatt." Andreas Rudolff-Bodenstein von Karlstadt - Strassburg: Reinhard Beck Erben 1522). Karlstadt war wiederum wegen Berhardi erst zum Reformator geworden. Er war anfangs ein Gegner der neuen Theologie Luthers, den er am 18.10.1512 zum Dr. theol. promoviert hatte und wollte ihn aus Augustinus widerlegen, kam aber durch das Studium der Schriften Augustinus zu der Erkenntnis, dass Luthers Schüler Bartholomäus Bernhardi, der am 7. September 1516 die ockhamistische Lehre, dass der Mensch aus eigener Vernunft und Kraft die Gebote Gottes erfüllen könne, bestritten hatte, doch recht habe, und trat nun selber am 26.04.1517 mit 151 Disputationsthesen "de natura, lege et gratia" öffentlich für die neue Lehre ein.

In Kemberg steht ebenfalls ein Cranach-Altar, allerdings von Cranach dem Jüngeren. Wie in dieser Zeit bei einer Reihe von Altären und Epitaphen üblich, ist auch hier das Bild der Taufe Christi um eine Gruppe von Reformatoren vermehrt, in der neben dem amtierenden Propst Matthias Wenckel die Bildnisse von Luther, Melanchthon, Bugenhagen, Bernhardi, aber auch des vierundfünfzigjährigen Lucas Cranach erscheinen. Leider ist dieser Altar bei einem Brand erheblich beschädigt worden.

Wie sehr Luther den "Feldkircher Bartholomäus" schätzte, geht aus dem Schreiben Martin Luthers Mitte Oktober 1516 an seinen Ordensmitbruder in Erfurt, den Augustiner Johannes Lang: "Es besagt nichts, dass sich Deine Gabrielisten über meine, vielmehr des Bartholomäus Feldkirchen Thesenreihe (Anm.: De viribus et voluntate hominis sine gratia) verwundern, da sich auch die Meinigen bisher gewaltig darüber wundern. Freilich ist die Thesenreihe selbst nicht von mir gemacht, sondern Magister Bartholomäus hat sie so aufgestellt, nämlich bewogen durch das Geschwätz der Kläffer gegen meine Vorlesung. Ich weiß, was Gabriel sagt: Es ist alles treffend, außer wo er von der Gnade, der Liebe, der Hoffnung, dem Glauben, den Tugenden redet; wieviel er da mit seinem Skotus pelagianisiere, ist nicht derart, dass ich es jetzt brieflich vorbringen könnte."

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