Erich Mühsam (*6.4.1878-†10.7.1934)

Erich Kurt Mühsam (* 6. April 1878 in Berlin; † 10. Juli 1934 im KZ Oranienburg) war politischer Aktivist, Anarchist, Publizist und Schriftsteller.

Lübeck. Mühsam wurde in Berlin als Kind jüdischer Eltern geboren und wuchs in Lübeck auf. Er hatte zwei Schwestern und einen Bruder. Der Vater Siegfried Seligman Mühsam war Apotheker und von 1887 bis 1915 Abgeordneter der Lübecker Bürgerschaft. Er und seine Frau Rosalie schickten ihren Sohn Erich auf das humanistische Gymnasium Katharineum zu Lübeck. Am 11. Januar 1896 wurde Erich von dort wegen sozialdemokratischer Umtriebe relegiert . Sein Abitur machte er in Parchim (Mecklenburg) und absolvierte dann eine Apothekerlehre in Lübeck. 1901 zog Mühsam nach Berlin, wo er zunächst in seinem erlernten Beruf arbeitete.

Schriftstellerei. Mühsams schriftstellerische Neigung fiel bereits in seiner frühen Jugend auf, als er im Alter von elf Jahren begann, Tierfabeln zu verfassen. Dieses erste literarische Engagement verdichtete sich, als der 15-jährige Mühsam für die Auftritte der Clowns des örtlichen Zirkus erste satirische Beiträge beisteuerte. 1902 wurde er Redakteur bei der anarchistischen Zeitschrift "Der arme Teufel", 1905 beim "Weckruf". 1904 bis 1908 folgten Aufenthalte in Zürich, Ascona, Norditalien, München, Wien und Paris.

Schwabinger Bohème. Seit 1909 lebte er in München-Schwabing. Hier gründete er die dem Sozialistischen Bund angehörenden Gruppe "Tat" und Gruppe "Anarchist". 1910 wurde Mühsam verhaftet, wegen Geheimbündelei angeklagt und schließlich freigesprochen. Als Zentralfigur der Schwabinger Bohème war er befreundet mit Heinrich Mann, Frank Wedekind, Lion Feuchtwanger, Fanny zu Reventlow und vielen anderen. Seiner Gruppe "Tat" schlossen sich auch der Schriftsteller Oskar Maria Graf und der Maler Georg Schrimpf an. Mühsam war Mitarbeiter des Münchner Kabaretts und verschiedener satirischer Zeitschriften wie des "Simplicissimus" und der "Jugend".

Von 1911 bis 1919 gab Erich Mühsam in München die Zeitschrift "Kain – Zeitschrift für Menschlichkeit" heraus, allerdings nicht während des Ersten Weltkrieges. Erich Mühsam heiratete 1915 die niederbayerische Bauerntochter Kreszentia Elfinger, genannt Zenzl. Sie starb im März 1962 in Ost-Berlin.

Bayrische Räterepublik. Im Zuge der Novemberrevolution wurde er Ende 1918 in München Mitglied des Revolutionären Arbeiterrats und befürwortete nach der Absetzung des Königs und der Ausrufung des Freistaates Bayern als demokratische Republik eine bayerische Räterepublik. Nach der Ermordung des bayrischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner durch einen rechtsextremen Attentäter gehörte Mühsam zu den Initiatoren und Anführern der Münchner Räterepublik ab dem 7. April 1919. Am 13. April 1919 wurde er durch rechtsnationalistische Freikorpsverbände verhaftet.

Im Juni 1919 findet der Prozess gegen Erich Mühsam statt, er wird auf 15 Jahre Festungshaft erkannt. Die Amnestie, die Hitlers Festungshaft in Landsberg nach wenigen Monaten beendet, führt auch Mühsam nach fast sechs Jahren wieder in die Freiheit, aufgrund verweigerter fachärztlicher Behandlung in Haft ist er auf einem Ohr taub.



In den folgenden acht Jahre engagiert sich Erich Mühsam vor allem für die politischen Gefangenen. Seine Schrift "Gerechtigkeit für Max Hölz", einem linksradikalen Revolutionär, der nach den Märzaufständen 1923 im Vogtland verhaftet wurde, führt nach zweijährigen Bemühungen zur Begnadigung des lebenslänglich Verurteilten. Auch sein Eintreten für Sacco und Vanzetti oder für die "Not-Verbrecher", also solche, die aus Not und Elend zu strafbaren Handlungen gezwungen seien, konfrontiert eine eher desinteressierte Öffentlichkeit mit der Situation von Menschen, die aus politischen Gründen verfolgt werden oder die am Rande der Gesellschaft vegetieren, hilflos und ausgesondert.

Faschismus. Daneben wird Mühsam nicht müde, auf die drohende Gefahr durch den Faschismus hinzuweisen. Er versucht, Bündnisse zwischen den einzelnen Gruppierungen angesichts eines gemeinsamen, mächtiger werdenden Feindes anzubahnen, ähnlich erfolglos wie schon zu Zeiten der Münchner Räte-Republik. Nach jahrelangem erfolglosen Warnen und mit seinen Hafterfahrungen war für ihn klar: "Ich denke nicht daran, mich wieder einsperren zu lassen und dadurch zur Passivität in einem Moment verurteilt zu sein, wo die deutsche Arbeiterschaft kampflos vor dem Faschismus zurückweicht. Ich gehe ins Ausland; von dort werde ich zur internationalen Solidarität aufrütteln. Ich will aktiv bleiben." Mühsam hat Schwierigkeiten, das Geld für die Reise zusammenzubringen.



Mit der Machtübernahme der Nazis 1933 ist er in Lebensgefahr. Endlich, am 27. Februar 1933 wäre es soweit, zumindest eine Fahrkarte nach Prag kann gekauft werden, die Koffer stehen gepackt - da wird Erich Mühsam verhaftet. Anfang Februar 1934 wird er nach fast einem Jahr Haft in das KZ Oranienburg gebracht. Auch hier wird er gequält, doch zweimal werden Auslandskommissionen herumgeführt, da dürfen die Häftlinge keine sichtbaren Folterspuren aufweisen. Am 30. Juni 1934, nach der Ermordung General Schleichers und Röhms, werden die SA-Wachmannschaften entwaffnet und eine württembergische SS-Einheit übernimmt die Führung des KZ. Zehn Tage später ist Erich Mühsam ermordet.


Links:
Erich Mühsam
Erich-Mühsam-Gesellschaft Lübeck
Freistaat Bayern
13. April: Cafe Wahnsinn verhaftet

[Erwähnte Kalendertage in diesem Beitrag: 6. April 1878, 10. Juli 1934, 11. Januar 1896, 7. April 1919, 13. April 1919, 27. Februar 1933]

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